Ende der 90er Jahre kam ich das erste mal mit dem Mountainbike in den Harz, fuhr eine Tour mit einem Studienkollegen ab Osterrode. Wir waren begeistert von der Landschaft, den langen Anstiegen, der Sösetalsperre und natürlich unserem Höhepunkt der Tour, der Hanskühnenburg. Mich faszinierte neben den schönen Eindrücken auf dem Bike, auch die Weite , die vielen Hügel, Bergsilouetten und riesigen Wälder die man von einem der zahlreichen Aussichtspunkte erkennen konnte.
Natürlich sollte es nicht meine letzte Tour im Harz gewesen sein und nur wenige Jahre später zogen mich mein Privatleben und mein Beruf in den Nordharz nach Bad Harzburg. Hier unternahm ich viele Ausflüge und Touren in alle Himmelsrichtungen, mal mit dem Bike, mal zu Fuß und lernte die Region immer besser kennen. Mountainbiken im Harz war damals nicht so wie man es heute kennt. Natürlich, es sind seid dieser Zeit auch knapp 20 Jahre vergangen. Das Mountainbike war das „Rennrad“ für die Berge, man fuhr selbstverständlich gegen die Uhr, zählte Kilometer und war darüber hinaus tierisch stolz, am Tagesende eine entsprechende Leistung vollbracht oder eine bestimmte Tour geschafft zu haben. Die meisten Biker waren damals auf breiten befestigten Forstautobahnen unterwegs, an Trails oder technisch anspruchsvolle Wege dachten nur wenige. Ich selber dachte allerdings mehr und mehr daran, da für mich eigentlich seit Beginn meiner Mountainbike Karriere neben der sportlichen Herausforderung und Leistung auch immer der „Weg“ und das „Wie“ im Vordergrund stand. Zeiten waren mir dabei meist egal und ich investierte meine Zeit viel lieber in das Suchen von schönen Trails und das Zusammenstellen von abwechslungsreichen Touren. Getreu dieser Philosophie gründete ich kurz darauf auch meine Selbstständigkeit und begann meine Leidenschaft von nun an weiter und konsequenter auszubauen.
Auch heute ist einer meiner stärksten Antriebe beim Mountainbiken das „Erfahren“ von Neuem, die Suche nach schönen Wegen, das Zusammenstellen von schlüssigen Runden, das gute Gefühl nach einem schönen Tag im Wald und letztlich die Kraft die ich daraus ziehe. Hierbei muss es nicht immer spektakulär und fahrtechnisch anspruchsvoll sein. Auch eine entspannte Auffahrt über viele Kilometer durch das wunderschöne Siebertal auf Asphalt und Schotter, das minutenlange hinunter Rollen durch das Luttertal durch herbstlichen Laubwald bis nach Bad Lauterberg oder auch eine gemütliche Tour über die Bergwiesen von Sankt Andreasberg begeistern mich immer wieder. Das ich diese Leidenschaft mit meinem Beruf verbinden kann, ist natürlich nicht das Schlechteste ;)
Natürlich empfindet und verbindet jeder etwas anderes mit Mountainbiken. Aber das aus meiner Sicht einseite „Trailsammeln“, mit Scheuklappen vor den Augen bis zum Einstieg hoch treten, den Schwerpunkt einer Tour rein auf möglichst schnelle, anspruchsvolle Abfahrten zu legen, war noch nie mein Ding. Der ab und an auf Touren gefallene Satz: „Wann kommt denn der Trail?“ lässt mich regelmßig schmunzeln. Für mich ist gerade die Kombination aus ruhigen Abschnitten und fahrtechnisch harten Passagen, die man mit voller Konzentration fahren muss, sowie die Abwechslung auf einer Tagestour, das Schönste beim Biken. Viele meiner gefundenen Trails und alten Wege behalte ich auch einfach für mich bzw. baue sie bewusst nicht in meine geführten Touren ein. Man muss nicht alles preisgeben und natürlich sind einige der alten Pfade auch von „offizieller Seite“ von den Karten gestrichen oder aus dem Wegenetz entfernt worden.
Und gerade hier kommt auch das EMTB neu ins Spiel. Man kann spontan selber bestimmen, inwieweit man sich körperlich anstrengt, kommt in sehr kurzer Zeit weit herum oder kann sich auch bewusst viel Zeit nehmen um die Tour zu genießen. Man nimmt beim EMTB Fahren die Umgebung anders wahr, hat mehr Luft um nach rechts und links zu schauen und der Tag auf dem Bike bekommt eine gänzlich andere Qualität. Als Tool zum Scouten ist das EMTB heute für mich nicht mehr Wegzudenken und ermöglicht eine äußerst effektive Arbeitsweise…
„Es ist 04.15 am Morgen. Draußen ist es noch dunkel, die ersten Vögel kündigen den Tag an. Ich schwinge mich aus dem Bett und taste mich leise über den knarzenden Dielenboden des Schlafzimmers. Das Aufstehen um diese Tageszeit ist immer der härteste Teil des Tages. Sitzt man erst mal im Auto, nippt am heißen Kaffee und rollt auf die Ausläufer des Mittelgebirges zu, überwiegt dann schnell die Vorfreude. Die Scheinwerfer durchschneiden die Nacht, am Horizont wird es ganz langsam etwas heller, die Temperatur ist noch einstellig.
Ich bin angekommen. Heute starte ich in der Nähe von Sonnenberg und konzentriere mich auch den Bereich um den Rehberg, das Odertal und das Siebertal. Die Klassiker kennt man, für Touren und zusammenhängende Runden reicht die Ortskenntnis aus. Doch ich will noch etwas mehr. Brauche hier mehr Optionen, suche alte Wege und bin neugierig auf unbekanntes Terrain. Und diese Ecke im Harz ist einer meine Lieblingsspots und hält noch so einiges versteckt und bereit. Der Akku meines NICOLAI eboxx ist voll geladen. Trotzdem habe ich noch einen zweiten dabei. Ich bin am Startpunkt angekommen, lade mein Bike aus dem Wagen und mache mich bereit für die Tour. Die Handsäge ist immer mit im Rucksack und leistet gute Arbeit, sollte ein Weg versperrt sein. Andere Wegenutzer freuen sich dann sicher ebenfalls.
Nach den ersten Kilometerm erreiche ich einen alten Steinbruch. Ich steige auf eine kleine Felsklippe in der Nähe. Genialer Ausblick über die Wälder des Süd- und Hochharz. Ich nehme mir die Zeit und beobachte wie die ersten Sonnestrahlen die Wipfel der Bäume langsam rötlich färben. Leichte Nebeschwaden liegen in den Senken im Tal und in der Ferne hört man eine Motorsäge. Auf dem Display meines Smartphones schiebe ich eine Karte hin und her, vergrößere und verkleinere, hebe Details hervor und speichere mir Screenshots ab. Früher hatte ich noch eine echte Papierkarte dabei, diese verwende ich aber nur noch gelegentlich zuhause um mir z.B. einen schnellen Überblick zu verschaffen. Der Tag ist mittlerweile erwacht und auch die Sonne komplett draußen. Es ist Zeit weiterzufahren. Ich mache mich an den Abstieg von der Felsklippe und aktiviere mein EMTB. Nach ein paar Metern stoppe ich und nehme eine ganz leichte Lücke im Gebüsch neben dem Weg wahr. Wenn man genau hinschaut, erkennt man sogar noch einen leichten Rand und eine Kante, wo sich früher ein kleiner Abzweig vom Hauptweg befunden haben muss. Ich schiebe meine Bike zwischen den Bäumen hindurch und lege es kurz darauf auf den weichen Waldboden. Ein erster Blick und Check verrät, ob es sich lohnt hier weiterzumachen oder ob es eine Sackgasse ist. Ich bin mir unschlüssig und gehe noch ein paar Meter weiter. Tatsächlich endet der Weg hinter einer weiteren Flesklippe in einer Art Wendehammer. Wahrscheinlich wurde hier früher nur Holz abtransportiert. Auf dem Rückweg entdecke ich dennoch etwas interessantes. Ein alter mit Flechten und Moos überzogener Grenzstein steht am Rande des zugewachsenen Pfades. Wenn man genau hinschaut, kann man noch die in den Stein gehauenen Zahlen und Symbole entdecken.
Ich nehme mein Bike auf , schiebe es zurück zum Hauptweg und fahre weiter. Der Weg führt mich über eine weite, große Wiese. Die Sonne strahlt von Osten her und ich folge einem schmalen Pfad in Richtung Norden. Kurz vor dem Waldrand steht eine Holzbank und ich stoppe kurz. Auf meinem Smartphone sehe ich einen kleinen Bachlauf, der sich zwischen zwei größeren Wegen befindet. Laut einer alten Karte die ich zu Hause habe, sollte sich hier früher auch eine Schutzhütte und weiterer, kleiner Weg befunden haben. Ich fahre weiter und entdecke tatsächlich kurz darauf die Überreste einer alten Holzhütte. Ein Trampelpfad, der tatsächlich noch etwas begangen aussieht, schlängelt sich von hier entlang durchs Unterholz in Richtung des zweiten Hauptweges. Ich folge ihm nachdem ich eine kleine umgestürzte Fichte zur Seite gezogen habe und erreiche tatsächlich nach einigen Metern wieder den anderen Hauptweg. Für eine Tour mit dem Mountainbike ist der Pfad eher ungeeignet. Er ist zu stark zugewachsen und der Aufwand ihn wieder gut begehbar zu machen lohnt sich nicht wirklich.
Ich orientiere mich jetzt weiter nach Norden und will auf meinem Weg dorthin mit dem Wolfswarter Fußweg noch einen bekannteren Trail checken. In der nächsten Woche habe ich eine größere Gruppe und will sicher sein, das der Weg komplett frei und fahrbar ist. Der letzte große Sturm hat viele Fichten im Hochharz umgeworfen und viele Wege waren komplett versperrt. Doch die Forstarbeiter des Nationalpark Harz haben gute Arbeit geleistet und der Trail von der Wolfswarte hinab nach Torfhaus – oder wie in meinem Fall auch andersherum – ist wieder gut zu fahren. Die komplett andere Optik, die er durch die dicken abgesägten Bäume besitzt, hat auch irgendwie etwas. Mein eboxx bügelt entspannt auch über die dicken Steinbrocken und der Trail macht bergauf super viel Spaß.
Über den Clausthaler Flutgraben gelange ich zurück nach Sonnenberg und mache mich wieder auf die Suche nach einem weiteren alten Weg. Neben dem immer noch bestehenden Loipen- und Wanderwegenetz, gab es hier in der Gegend früher noch einige weitere schöne Wanderweg. Ein paar davon sind sogar noch ausgeschildert, befinden sich aber aufgrund von mangelnder Pflege in einem eher schlechten Zustand. Parallel zur Landstraße verläuft eben solch ein Weg und ich baue hier einen kurzen Stopp ein, um den Einstieg frei und wieder gut begeh- und fahrbar zu machen. Dann geht es weiter, tiefer in den Wald hinein. Nach ein paar Kilometern stoppe ich erneut. Irgendwo hier sollte doch ein Abzweig sein. Und tatsächlich. Zwischen den herabhängenden Ästen einer Fichte schimmert ein alter Wegweiser hervor. Die Aufschrift ist nur noch schwer zu erkennen aber die Richtung sollte passen. Ich fahre los und bin überrascht über den guten Zustand der ersten Meter. Wenig Totholz oder durch umgestürzte Bäume versperrte Abschnitte. Der weiche Waldboden dämpft die Geräusche meiner Reifen und ich cruise einige Minuten lang entspannt dahin, bis mich ein größerer umgefallener Baum stopp. Leider zu dick für meine Handsäge. Ich hebe mein Bike hinüber und setze meine Fahrt fort. Der Weg wird steiniger und etwas rutschiger. Dann folgt wieder dieser geniale Waldboden. Fichtennadeln spritzen hoch, der Motor meines Bikes summt leise vor sich hin und ich erreiche nach kurzer Zeit den Ausstieg des Trails und gelange auf einen breiteren Forstweg. Hammer! Diese Variante und diesen Weg kannte ich noch gar nicht. Auch hier am Ende ist ein altes Schild angebracht, es handelt sich also noch um einen offiziellen Weg. Für zukünftige Touren in dieser Region also sicher eine super Alternative und spannende Option. Auf dem Rückweg zum Auto plane ich bereits die neuen Ausfahrten und überlege mir, wie man den neuen Weg am sinnvollsten und schlüssigsten Einbauen könnte.“
Gerade das ist das faszinierende am Harz und seinen vielen Bergen, Tälern und Waldgebieten. Man entdeckt immer wieder kleine neue Wege oder schöne Plätze, obwohl man bereits viele Male mit dem Bike oder zu Fuß seine Runden gedreht hat. Manche davon entpuppen sich als Sackgasse oder sind nicht mehr passierbar, andere wiederum sind gut in Schuss, bereichern die Tour und machen den Tag zum Erlebnis. Da es immer noch viele „weiße Flecken“ auf meiner Harzkarte gibt, wird mir denke ich auch in Zukunft nicht langweilig werden. Ich freue mich daher immer wieder aufs neue, mich nur mit einem groben Plan und keinem konkreten Ziel vor Augen auf den Sattel zu schwingen und mich von dieser fantastischen Gegend und seinen Trails überraschen zu lassen.
Danke Luka Gorjup für die tollen Fotos und den fetten Tag im Wald. machen wir mal wieder ;)