Eigentlich bin ich Mountainbiker. Ich fahre schon immer breite Reifen und breite Lenker. Rennräder oder Gravelbikes finde ich teils schick, aber der Funke ist bisher noch nicht wirklich übergesprungen. Schmale Unterlenker finde ich eher unbequem. Auf langen Distanzen stört mich die schon sehr frontlastige Sitzposition und wenn es dann tatsächlich mal „ins Gelände“ abseits der asphaltierten Straßen und geschotterten Wege geht, nervt mich die mäßige Kontrolle und das anstrengend, störrische Fahrverhalten. Klar kann man mit einem Gravelbike auch mal einen Trail fahren, doch so richtig Freude kommt bei mir dann doch nicht auf.
Vielleicht bin ich im Kopf auch noch zu sehr im Vergleichsmodus und stelle mir bei all diesem Gerüttel und Geschüttel ein sattes und fein abgestimmtes Fahrwerk vor? Entsprechend fällt dann die Wahl, wenn es auf der Feierabendrunde auch „ins Gelände“ gehen soll, doch ziemlich schnell auf das Cross Country Fully. Auf mein NICOLAI Saturn 11.
Ein sehr schickes Rad!
Doch dann erspähte ich auf der Hausmesse von NICOLAI das erste Mal ein neues ARGON GX Testbike. Ein Gravelbike ohne Federgabel, ohne Remote-Sattelstütze, mit schmalen Reifen und … Unterlenker. Zudem in „meiner“ Größe XL. Ich gebe zu das es im erster Linie die Farbe und Farbkombination war, welche mich sofort angesprochen hatte.
Das Bike stand in sattem grün metallic, kombiniert mit schwarzer Carbongabel und ebensolchen Parts ziemlich schick im Ständer. Die Wochen vergingen und ab und an sah ich das Argon GX bei meinem Besuchen der Firma oder im Rahmen unserer Testdays im Bikepark Sankt Andreasberg. Und es ließ mich einfach nicht los. Ich besaß zu dieser Zeit noch ein SALSA Cutthroat, also auch ein Unterlenker-Bike, ein Gravelrad. Allerdings von der Geometrie her eher für Endurance, Langstrecke gebaut, mit etwas höherer Front und einer relativ aufrechten Sitzposition versehen. Ein tolles Bike. Doch wie ich schon in der Einleitung geschrieben habe, ist der Gravel-Funke ist nicht so richtig übergesprungen.
Ok, ich werde es mal testen!
Die Saison neigte sich dem Ende entgegen, die letzten Fahrtechnikkurse und Coachings waren vorbei und Ruhe setzte ein. Naja, zumindest etwas. Doch meine Gedanken kreisten nach wie vor um das Argon und so verabredete ich mich den NICOLAI Dudes, das ich das Bike für ein paar Tage mit nach Hause nehmen konnte. Auch die Möglichkeit das Argon bei Gefallen zu einem guten Kurs aus der Testflotte herauskaufen zu können, klang sehr reizvoll. Also machte ich Nägel mit Köpfen, fuhr nach Mehle und packte die Maschine in den Kofferraum.
Erster Eindruck …
Um einen ersten Eindruck vom Bike zu bekommen, fuhr ich eine kurze Runde von rund 25km. Vornehmlich Straße, etwas Schotter und Feldwege, keine Trails. Schnell merkte ich, das mir der verbaute 90mm Vorbau etwas zu lang und die Front einen Tick zu tief eingestellt waren. Mit einem 80mm Thomson Vorbau ohne Steigung und 1cm höherem Lenker war das Problem dann auch schnell gelöst. Der verbaute Easton Lenker mit 440mm Breite war mir gefühlt einen Tick zu schmal, was ich aber erst mal auf meinen MTB background schob.
Aber viel wichtiger als die Feineinstellung der Komponenten, war natürlich das Fahrgefühl. Und dieses war, im Vergleich zu meinem früheren Bikes, anders und tatsächlich sehr angenehm. Das Argon GX überzeugt mich sofort mit solider Laufruhe bei höheren Geschwindigkeiten, vor allem in den Kurven. Hier vermittelte das Bike ein äußerst sicherers Fahrgefühl, Stabilität und beste Kontrollierbarkeit.
Der Um- und Aufbau
Diese Eindrücke bestätigten sich auch bei den nächsten Ausfahrten und das Argon GX wurde mir immer vertrauter. Mittlerweile hatte ich einige Komponenten ausgetauscht und Dank dem Support von eThirteen Europe nochmals einiges an performance herausgeholt: Verbaut waren jetzt eine XCX Carbon Kurbelgarnitur mit 40er Blatt, eine XCX Kassette mit 9/42, passende XCX Carbon Laufräder mit WTB Raddler TCS Reifen (tubeless), eine Thomson Elite Sattelstütze und ein Thomson Carbon Lenker in 460mm Breite. Letzterer überzeugt mich sofort mit besserer Dämpfung und genau den zwei Zentimetern mehr Breite, welche mir Anfangs gefehlt hatten. Die verbaute Shimano GRX Gruppe arbeitet solide und überzeugte mich sofort.
Die erste längere Ausfahrt.
Die nächste längere Ausfahrt von rund 100km war dann sozusagen der Härtetest und sollte auch für mich persönlich die Frage beantworten: Braucht es neben dem SATURN 11 noch ein Gravelbike? Vom Waake meinem Heimatdorf aus, ging es im Zick Zack durch das Harzer Vorland. Hier wechseln sich Feldwege, Asphalt und weiche Wiesenwege ab. Steigungen sind in der Regel relativ moderat. Da ich eine längere und für meinen aktuellen Fitnessstand teils auch ambitionierte Route geplant hatte, nahm ich zu Beginn etwas Speed heraus. Der Boden war durch die Feuchtigkeit teils sehr weich. Doch ich hatte nicht das Gefühl, viel Kraft liegenzulassen.
Nach rund der Hälfte der Strecke und gut 2,5h Fahrzeit, erreichte ich Herzberg am Harz und legte die erste Pause ein. Ich fühlte mich weiterhin gut, nichts am Bike störte mich und nur mein Hintern machte sich vorsichtig bemerkbar. Ok, eventuell sollte ich den Sattel mal tauschen. Von Herzberg aus ging es dann langsam immer steiler bergauf und über einsame Forst- und Wirtschaftswege kontinuierlich in Richtung Hochharz. An dieser Stelle sei das Siebertal empfohlen, welches sich schier endlos vom gleichnamigen Ort Sieber, in Richtung Torfhaus bzw. Stieglitzecke schlängelt. Malerische Landschaft, keine Menschenseele und viel Ruhe.
Auf Höhe der „Schluftwiesen“ beginnt dann der Weg deutlich steiler zu werden. Leider setzte hier dann auch etwas Regen ein. Dichter Nebel zog auf, je höher ich kam. Die Übersetzung von 40/42 ist ok, viel heftiger sollte es dann aber nicht werden. Je nach Gelände welches man fährt, bietet sich hier aber natürlich auch die Möglichkeit den Antrieb anzupassen. Nach einigen Kilometern erreichte ich dann die Hochharzstraße und schlug den Weg in Richtung „Oderteich“ ein. Ab hier ging es in leichtes Gelände. Der Weg an der Westseite wird steiniger, ist von Wurzeln durchsetzt, nass, sandig und führt in leichten Wellen weiter in Richtung Norden.
Die ersten „richtigen“ Trails.
Obwohl ich konditionell schon etwas angezählt war, spürte ich natürlich sofort die Lust, es auf den ersten richtige Trail-Kilometern etwas mehr krachen zu lassen. Ich trat ordentlich in die Pedale, Wasser und Dreck spritzten mir ins Gesicht, die Carbongabel schepperte über die Wurzel und Steine. Die Reifen hatten ordentlich Mühe, das Bike auf Kurs zu halten. Ich muss sagen, das mich hier die WTB Raddler ziemlich positiv überrascht haben. Trotz flacher Stollen auf der Lauffläche und etwas höheren Seitenstollen, bieten sie extrem gute Traktion und Rollen dabei noch gut.
Natürlich hatte ich keinen Mountainbike Komfort erwartet. Man merkt selbstverständlich, das Gravelbikes zwar ins Gelände können, aber ehrlicherweise nicht wirklich dafür gebaut sind. Doch was Spaß macht und vor allem was man selber daraus macht, kann ja jeder selber bestimmen. Und genau das machte das Argon GX definitiv.
Besser als gedacht!
Das Bike fährt sich dank des steifen Rahmens sehr direkt und lässt sich so schnell nicht vom Kurs abbringen. Hart und anstrengend ist es so oder so. Bleibt die Frage, ob ein etwas weniger steifer Rahmen mit Carbongabel (oder auch Carbon-Rahmen) hier in diesem Gelände angenehmer zu fahren ist? Letztlich sicher immer wieder auch Geschmackssache! Was man aber darüber hinaus deutlich merkt und was mir persönlich eigentlich auch am wichtigsten ist: Die Fahrsicherheit und trotz allem Gerüttel, die „Ruhe“ und Gelassenheit, mit der das Argon GX die Trails meistert. Vielleicht macht sich hier auch das tiefe Tretlager positiv bemerkbar.
In einigen Tests und Artikeln über das Rad war of die Rede vom Spagat zwischen Mountainbike und Rennrad / Gravelbike. Klar ist das Argon GX kein Mountainbike, doch etwas von den NICOLAI Geolution Genen ist dann doch zu spüren wie ich finde. Erschöpft machte ich dann nochmal kurz am höchsten Punkt der Tagestour auf „Torfhaus“ Pause, bevor ich über weitere Trails und schnelle Forst-Autobahnen hinab nach „Bad Harzburg“ rollte.
Fazit und Gesamteindruck
Ich werde das ARGON GX behalten. Diesen Entschluss fasste ich schon auf den letzten Kilometern meiner langen Harz-Tour. Das Bike hat bei mir in den letzten Tagen und Wochen einen wirklich positiven Eindruck hinterlassen.
Konnte ich mich bisher nicht wirklich mit Gravelbikes anfreunden. Die Sitzposition, das Fahrverhalten usw. hatten mich nie richtig überzeugt. Zu statisch, zu wenig für das Fahren im Gelände geeignet, zu störisch und wenig komfortabel. Hier punktet das ARGON GX finde ich am meisten. Die Laufruhe bei hohem Speed, das Lenkverhalten auch in technischem Gelände oder auf ruppigen Trails, sowie die Spurtreue und allgemeine Fahrsicherheit. All das vermittelt das Bike auf geniale Art und Weise. Die Sitzposition hat für mich als Mountainbiker sofort gepasst und ich habe nicht das Gefühl zu tief zu sitzen oder Verspannungen im Nacken zu bekommen.
Der anfängliche „Haben Wollen“ Faktor, weil es einfach ein schickes Bike ist, wurde durch meine Fahr-Erfahrungen gefestigt. Und nachdem ich die silbernen gegen die purple / metallic Sticker getauscht hatte, war das Ding sowieso gegessen und gekauft :)
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